Arnost N. – Zwangsarbeiter bei der Firma Drettmann

 

Arnošt * N.  stellte im August 2001 einen Antrag beim Deutsch-Tschechischen Zukunftsfond, um aus Mitteln der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“  Entschädigungsleistungen für die Zeit als Zwangsarbeiter bei der Firma Drettmann zu erhalten. In einem Brief an den Zukunftsfond schilderte  er seine Erinnerungen an  die Zeit als Zwangsarbeiter. Der Brief ist vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfond  in anonymisierte Form  und in tschechischer Sprache zu Verfügung gestellt worden. Dankenswerter Weise ist der Brief von einer in Bremer lebenden Übersetzerin ins deutsche übertragen worden.

 

„Persönliche Erklärung von Arnošt N.                                                                                                                                                                                   (ohne Datumsangabe)

Ich, der Unterzeichnende, erkläre hiermit, dass ich von 1936 bis 1941 bei diesen Firmen als Metallschweißer angestellt war. „Philips“, Karlovo náměstí Nr. 8 (Karlsplatz 8), nach Übernahme der Firma durch die Deutschen wurde ich entlassen.  ….

Ich ging zum tschechischen Arbeitsamt, um dort nach Arbeit zu fragen. Im Amt gaben sie mir keine Arbeit, sondern schickten mich zum deutschen Arbeitsamt. Als ich auf deren Frage hin antwortete, dass ich Metallschweißer bin, lehnten sie es ab, mir Arbeit im Protektorat zu geben. Sie stellten mir Reisedokumente aus und befahlen mir, mich am nächsten Morgen am Denisbahnhof einzufinden. Am Bahnhof waren wir etwa zwanzig, dort übernahm uns wahrscheinlich ein Kurier in deutschen Diensten. In Hannover stiegen einige Arbeiter aus, die ein Deutscher übernahm. In Bremen und danach stiegen weitere aus. Ich blieb allein mit dem Kurier. Wir fuhren bis zur Station Osterholz-Scharmbeck. Dort übernahm mich ein Vertreter der Firma Fritz Drettmann. Ich wurde gleich im Fabriklager untergebracht. Im Lager waren schon etwa 20 Personen aus Prag und Kolín. Die waren dort schon seit Mitte 1940. Manche wohnten auch privat. Mich nahm am nächsten Tag der Dolmetscher Frantisek Bus unter seine Fittiche, der auch privat wohnte. Nach der Ankunft von Holländern und Belgiern brachte er mich in einem Gartenhaus unter. Das große Lager war noch nicht fertig. Nach einigen Monaten musste ich und noch einige andere ins große Lager umziehen. Bis auf ein paar Prager waren wir dort alle untergebracht, einschließlich der Holländer und Belgier. Im Jahr 1943 kamen Ukrainer und Ukrainerinnen aus Charkow dazu. Sie trugen aber das Kennzeichen OST. Ich erinnere mich an einige Tschechen.Mácha aus Prag, Pavelec aus Prag, Zajíček (spielte Harmonika) mit seiner Ehefrau aus Prag, Raus aus Prag, Gazdorf aus Prag, Gaiger aus Prag, Kaška aus Prag, Müller aus Prag, Stašek aus Prag, Gebrüder Podzimek aus Prag. Aus Kolín waren Adamek mit Ehefrau (Dolmetscher), die Gebrüder Müller, Jirásek und weitere, die ich nicht mehr kannte. Aus Kostelec n/čer lesy (Kostelec nad černými lesy) kamen Černohubý, Čermák und weitere. Ich lege ein Foto der Fußballer bei, auf dem ich auch bin. Nach der Bombardierung der Fabrik, wo 8cm Flugabwehr-Kanonen hergestellt wurden, sind einige von uns zusammen ausgerissen über Hamburg und Dresden (schon zerbombt). Aus Dresden sind wir mit einem Personenzug Richtung Liberec. In Žitava (Zitau) haben sie uns aus dem Zug geholt und ins Gefängnis gebracht. Nach einer Untersuchung, die 2 Tage dauerte, schickten sie uns mit dem Zug nach Liberec, wo wir uns … Auf dem Arbeitsamt melden mussten. Auf dem Arbeitsamt sagten sie uns, wir sollen am nächsten Tag kommen. Wir waren etwa zu sechst, also gingen wir zum Bahnhof, um dort zu übernachten. Als es schon dämmerte, kam ein Arbeiter aus Turnov zu uns, der in Liberec arbeitete. Der sagte, dass er uns über die Grenze nach Turnov bringt. Wir waren einverstanden. Wir fuhren mit dem Zug zwei Stationen Richtung Turnov. Dort sind wir ausgestiegen und nachtsüber den Berg am Wachturm vorbei. In Turnov haben wir bei dem guten Menschen übernachtet und sind dann früh mit dem Zug nach Pardubice gefahren. In Pardubice haben wir uns getrennt, einige fuhren Richtung Prag und Umgebung und ich bin direkt zu meinen Eltern nach Ostrava gefahren. Dort habe ich mich bis zum Ende des Krieges versteckt…“

Arnošt N.

*Arnošt:  ist ein männlicher Vorname. Es ist die obersorbische und tschechische Form des Namens Ernst.

**Nach der Besetzung des restlichen tschechischen Staatsgebietes durch dt. Truppen im März 1939 wurden die Landesteile Böhmen und Mähren zum Protektorat des deutschen Reiches erklärt (Protektorat Böhmen und Mähren). ( Protektorat bezeichnet die sogenannte Schutzherrschaft eines Staates über ein Gebiet eines anderen Staates)

*** Zwischen Luisenstr und Hedwigstr. befand sich das größte Zwangsarbeiterlager der Firma Drettmann

 

Verf. Manfred Bannow

 

 

Veröffentlicht am

Diese Seite wurde zuletzt am 8. September 2021 geändert

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