Carsten Brüns kommt am 30.11.1908 in Herxheim (Pfalz) zur Welt. Seine Eltern Carsten Brüns und Meta Brüns (geb. Kuhlmann) kommen beide aus Osterholz-Scharmbeck und halten sich vermutlich nur kurzfristig aus beruflichen Gründen in der Pfalz auf, wo ihr erster Sohn geboren wird.
Carsten Brüns Senior kommt als Invalide nach einem Kopfschuss aus dem Ersten Weltkrieg zurück und kämpft im Weiteren mit posttraumatischen Belastungsstörungen. Er arbeitet als Werkmeister und heiratet seine Frau im April 1908 in Osterholz-Scharmbeck. (1)
Die Familie Brüns lebt mit ihrem kleinen Sohn im Weiteren in der Lindenstraße 378 (heute 42). Im Jahr 1919 kommt die Tochter Martha (12.11.19) zur Welt.
Carsten Brüns Junior wird nach seiner schulischen Ausbildung Buchhalter/Verwaltungsgehilfe und arbeitet an der Buchungsmaschine der Sparkasse Osterholz-Scharmbeck.
Die ersten Informationen zu seiner Krankengeschichte sind vermerkt in der Akte der Privatklinik, wo er sich im August 1936 28 Tage aufhält. Es handelt sich hierbei um die Dr. Benning`s Privatklinik* im Ortsteil Oberneuland/Rockwinkel in Bremen für Nerven- und Gemütskranke, das damalige Aktenblatt ist vorhanden.
Carsten Brüns stellt sich dort am 01.08.36 in Begleitung seines Vaters und eines Bekannten vor. Im Vorfeld hatte er während seiner Arbeitszeit am 22.07.36 eine Art Nervenzusammenbruch erlitten. Er äußerte in dem Zusammenhang wirre Dinge, so unter anderem, dass er heiraten werde und ihn der „Führer zum Zahlmeister bestimmt habe“. Er schwankte in seiner Stimmung von starken Weinkrämpfen hin zu großer Euphorie ob seiner bevorstehenden Hochzeit.
In den Folgetagen wechselt seine Krankheitseinsicht von Realität zu weiteren Wahnvorstellungen. Er wird jedoch vom Personal als freundlich und humorvoll beschrieben und genoss das gute Essen in der Klinik.
Am 28.08.36 wurde er auf Wunsch seiner Eltern entlassen, der Vater machte im Anschluss eine Urlaubsreise ins Allgäu mit Carsten. Im Abschlussvermerk der Klinik ist von einem Brief an den behandelnden ortsansässigen Arzt die Rede. Eine Nachricht an das Erbgesundheitsamt wurde aufgrund der Geringfügigkeit noch nicht gefertigt. Bei einem erneuten Auftreten der Symptome soll eine Sterilisation geprüft werden und von „einer Verheiratung für die ersten Jahre wird abgeraten“ (2).
Am 27.03.37 wird Carsten Brüns in der Nerven- und Heilanstalt Lüneburg aufgenommen. Dies geschieht nach einer Einweisungsverfügung des Bürgermeisters von OHZ als Ortspolizeibehörde., da ihm Stimmen befohlen hatten, „einen Juden (Herrn Davidsohn“ zu erschießen“. (3) Ihm wird eine geistige Erkrankung attestiert (Schizophrenie, wahnhafte Verkennung, Umdeutung der Umgebung). Am 07.03.41 wird Carsten Brüns in der Aktion T4 nach Pirna/Sonnenstein verlegt und dort noch am selben Tag oder einen Tag später vergast (4).
(1) Kreisarchiv Osterholz: Geburtsurkunde Carsten Brüns
(2) Archiv Zentralkrankenhaus Bremen-Ost Krankenblattunterlagen
(3) NLA Hannover Lüneburg Acc/2004/066 Nr.07646
(4) Opferdatenbank Pirna-Sonnenstein
Verf.: Nina Schmidt
Die Audio-Datei ist 2023 von Schülern und Schülerinnen der IGS Osterholz-Scharmbeck (Forder-AG und Deutsch E-Kurs/Jg.13) erstellt worden und auf der Web-Seite „Wider das Vergessen“https://www.tanjakoenig.de/ veröffentlicht worden.
Veröffentlicht am 17. August 2021
Diese Seite wurde zuletzt am 28. Februar 2023 geändert