Ella Banehr wurde am 14. Mai 1916 in Burgdamm in der Kellerstraße als Tochter des Bahnarbeiters Diedrich Banehr und seiner Ehefrau Ella Catharine geb. Früchtenicht geboren. Sie war das zweite Kind, ihre ältere Schwester Lieselotte Ella wurde am 2. Juli 1913 in Bremen geboren.
Im Laufe der Jahre stellte sich heraus, dass Ella sich nicht normal entwickelte und behindert war, sie besuchte auch nur ein Vierteljahr die Volksschule in Platjenwerbe, wohin die Familie zwischenzeitlich gezogen war. Am 20.08.1940 verstirbt der Vater, vier Wochen später, am 23.09.1940 versucht die Mutter sich mit ihrer Tochter Ella das Leben zu nehmen. Die Mutter ertrinkt in der Lesum, die Tochter kann sich retten oder wird gerettet. Als Vormund für Ella wird der Bäckermeister Arnold Bruns in Platjenwerbe eingesetzt.
Ende des Jahres 1940 wird das Staatliche Gesundheitsamt des Landkreises Osterholz eingeschaltet und am 9.12.1940 ein Gutachten durch den Amtsarzt erstellt. Darin werden die Symptome aufgeführt und zusammenfassend ein Schwachsinn erheblichen Grades festgestellt. Es wird auf eine Gefahr für das 6 Monate alte Kind der Schwester, die zwischenzeitlich geheiratet hatte, hingewiesen und eine Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt für unbedingt notwendig erachtet.
Am 27.03.1941 wird Ella in den Rotenburger Anstalten der Inneren Mission unter der lfd. Nr. 4357 aufgenommen, ihr allgemeiner Zustand und ihr psychisches Verhalten werden diagnostiziert. Die Kosten für ihren Aufenthalt bestreitet die Familie zum Teil durch den Verkauf von Einrichtungsgegenständen.
Am 4.10.1941 werden die Rotenburger Anstalten aufgelöst und es erfolgt ihre Verlegung in die Heil- und Pflegeanstalt in Günzburg. Im Mai 1942 wird von dort der körperliche Zustand als gut beschrieben, Ella hat sich eingelebt, neigt aber durch ihr „widerstrebendes, gewalttätiges Wesen zu störendem Verhalten“
Am 16.11.1943 wird Ella in die Heil- und Pflegeanstalt in Kaufbeuren eingeliefert und bereits am 03.12.1943 erfolgt die Verlegung nach Irsee mit einer kurzen Bewertung. Am 02.05.1944 wird ein knappes Krankheitsbild erstellt – fortschreitende Tuberkulose, Abmagerung, versagende Herzkraft. Um 9 Uhr exitus. Im Leichenschauschein wird „Tuberculose der Lungen und des Darms“ diagnostiziert und die Freigabe zur Beerdigung ab dem 04.05.1944 von Dr. Faltlhauser festgelegt. Ella Banehr wurde auf dem erst im April 1944 neu angelegten „Euthanasie“-Friedhof (Abteilung I, Grab Nr. 23) hinter der Klosterkirche bestattet.
Der Name „Ella Banher“ taucht aber auch in den Opferlisten auf, deren Tötung der „Krankenschwester“ Pauline Kneißler zur Last gelegt wurden (Der Augsburger Strafprozess, Seite 210). In den Heil- und Pflegeanstalten wurden die Patienten nach dem „Hunger-Erlass“ des Bayerischen Innenministeriums vom 30.11.1942 durch sogenannte Schmal- oder Entzugskost, aber auch mit Tabletten und Injektionen ermordet. Entsprechend einer Zeugenaussage der Pauline Kneißler wurden die Patienten in Irsee mit Luminal oder Veronal, vereinzelt auch Trional in Tablettenform sowie Luminal und Morphium-Skopolamin getötet, Zahl und Stärke der Dosen waren ihr überlassen, die erforderlichen Medikamente bekam sie von Dr. Faltlhauser. Pauline Kneißler wird verhaftet und vor Gericht gestellt, kommt aber mit einer geringen Strafe davon. In den Irsee angeschlossenen Tötungsanstalten in Grafeneck und Hartheim wurden unter dem ärztlichen Direktor Dr. Faltlhauser in den Jahren 1940 und 1941 400 Menschen ermordet, in Irsee bis Kriegsende weitere 800 Menschen.
Autorin: Uta Bothe/Heimatverein Platjenwerbe
Weiterführende Literatur:
Dietmar Schulze „Auch der ‚Gnadentod‘ ist Mord“ Der Augsburger Strafprozess über die NS-„Euthanasie“-Verbrechen in Kaufbeuren und Irsee“, Irsee 2019
Uwe Kaminsky, Über Leben in der christlichen Kolonie – Das Diakonissen-Mutterhaus, die Rotenburger Anstalten der Inneren Mission und die Rolle der Vorsteher 1905-1955, Bremen 2016
(Familie Banehr wohnte 1940 in Platjenwerbe Nr. 7 (heute Lindenstraße 17)
Veröffentlicht am 16. Mai 2020
Diese Seite wurde zuletzt am 8. Juli 2022 geändert