Ohne ihn hätte es die populärste deutsche Künstlerkolonie Worpswede wohl nicht gegeben: Fritz Mackensen. Doch auf diese unbestreitbare Tatsache fällt ein Schatten – der ab 1889 in Worpswede lebende Maler, der für Kolleginnen und Kollegen wie Paula Modersohn-Becker, Clara Rilke-Westhoff und Heinrich Vogeler ein wichtiger, wenn nicht gar der wichtigste Lehrer war, nahm in den 1920-ger Jahren und im Nazi-Deutschland eine zwielichtig-denunziatorische Rolle ein. Mackensen, der nach dem frühen Tod seines Vaters unter schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen in Greene bei Hannover aufwuchs, war nach seinem Studium in Düsseldorf ein von Selbstzweifeln freier, dem Militarismus zugeneigter Mann, den sein Künstlerkollege Otto Modersohn 1894 als herausfordernd verletzend, oft ungebildet und eingebildet, als Parvenu (Emporkömmling) und Streber charakterisierte.
Für den bis zum 1. Weltkrieg wirtschaftlich überaus erfolgreichen Maler, der ab 1908 eine Professur und die Leitung an der Großherzoglich-sächsischen Kunstschule Weimar übernahm, brachen in der Weimarer Republik schwere, weil künstlerisch erfolglose Zeiten an. Ab 1919 wurde er Mitglied der erzkonservativen Deutschen Demokratischen Partei, ab 1927 engagierte Mackensen sich zudem als Mitglied im Stahlhelm, dem völkisch-antisemitischen Kampfbund für deutsche Kultur. In Worpswede richtete sich sein denunziatorisches Engagement insbesondere gegen die Barkenhoff-Kommune Heinrich Vogelers und die „freien Geister“ der örtlichen Künstlerszene. (1) Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten sah Fritz Mackensen neue Möglichkeiten des persönlichen Fortkommens. „Für den geltungsbedürftigen sozialen Aufsteiger, der aus einfachen Verhältnissen kam …, waren Erfolg und Anerkennung von überragender Bedeutung. Umstandslos diente er sich dem Regime an, um Einfluss zu gewinnen,“ charakterisiert Dr. Katja Pourshirazi, Leiterin des Overbeck-Museums in Bremen-Vegesack, das Verhalten Mackensens.(2)
Im Dezember 1933 berief ihn der Bremer Senat als Direktor der neuen Nordischen Kunsthochschule, für die er das Konzept und Curriculum entwarf. In der Präambel für die im April 1934 eröffnete Hochschule schrieb Mackensen folgendes fest: „Die Nordische Kunsthochschule ist eine staatliche Einrichtung der Freien Hansestadt Bremen. Sie soll, schöpfend aus dem Urgrund deutsch-nordischen Volkstums, mitarbeiten am Aufbau arteigener Kultur im Sinne Adolf Hitlers.“ (3) Und in seiner Eröffnungsrede wurde der neue Direktor, der nach internen Querelen schon im November 1934 wieder von seinem Posten freigestellt wurde, noch deutlicher: „Der Absturz der deutschen bildenden Kunst ins Wesenlose hat schon vor dem Krieg begonnen und ist nach dem Zusammenbruch ins Grenzenlose gesteigert. … Alles schien verschüttet; da kam der Durchbruch der Deutschgläubigkeit Adolf Hitlers, und nun werden alle Kräfte frei, die in zäher Arbeit es unternehmen müssen, aus diesem Sumpf der geistigen Erkrankung herauszukommen. Es liegt nichts näher, als das herbe niedersächsische Volkstum in niedersächsischer Landschaft mit vor Hitlers Wagen zu spannen, in allen Dingen, so auch in der bildenden Kunst.“ (4)
Das für Mackensen nur unerfreulich kurze Gastspiel an der Bremer Kunsthochschule änderte nichts an der Stärkung seiner Position im Künstlerdorf Worpswede. 1936 wurde er zum örtlichen Vertrauensmann der Reichskulturkammer berufen, ab 1936 kuratierte er auch Jahr für Jahr große Ausstellungen Worpsweder Kunst und richtete federführend die Niederdeutschen Malertage aus. Relativ spät trat er 1937 in die NSDAP ein und erhielt fortan offizielle staatliche Aufträge, nachdem er schon ab 1935 für den Reichsarbeitsdienst und dessen Führer Konstantin Hierl malerisch tätig war. 1941 wurde ihm von der Reichskammer der Bildenden Künste die Goethe-Medaille für Wissenschaft und Kultur verliehen, 1944 setzte ihn der Reichsminister für Propaganda und Volksaufklärung auf die Führerliste, die sogenannte „Gottbegnadetenliste“ der 100 wichtigsten deutschen Künstler.
Diese Anerkennung durch die Spitzen des Nazi-Regimes hinderte Fritz Mackensen nach dem Zusammenbruch des Regimes nicht daran, sich am 5. April 1947 in einem Brief als „Schwer Verfolgter“ eben dieses NS-Regimes darzustellen. „… Der Haupt-Entnazifizierungs-Ausschuß Osterholz hat meine Entnazifizierung beschlossen, weil ich durch Dokumente den Beweis erbracht habe, daß ich gegen alle Übergriffe der Partei aktiv gekämpft habe, 1934 aus meine Stellung als Direktor der Hochschule für bildende Kunst für den niedersächsischen Raum deshalb entfernt worden bin und dadurch ideell und materiell schwer geschädigt wurde, auch nachdem ich 1938 in die Partei eingetreten bin, mich stets schützend die persönliche Gefahr außer Acht lassend, für die Nichtmitglieder eingesetzt habe … Ich gehöre also zu der Gruppe der von der Partei schwer Verfolgten.“ (5)
(1): vgl.: Katharina Groth in: Mythos und Moderne, Hrsg. K.Groth/B. Hermann, Köln 2014, S.81
(2): vgl.: Lilienthaler Heimatrundblick
(3): vgl.: H.C. Kirsch, Worpswede, München o.J., 1.Aufl., S. 209f
(4) vgl.: Weser Zeitung 9.4.1934
(5) vg.: K.Artinger, Die erste Generation der Worpsweder Maler und der Nationalsozialismus in: A.Strohmeyer, K.Artinger, Fr.Krogmann Landschaft, Licht und Niederdeutscher Mythos, Weimar 2000, S.167f
Autor: Peter Groth
Veröffentlicht am 21. März 2020
Diese Seite wurde zuletzt am 26. März 2020 geändert