Rosa Abraham, geborene Lösermann, Udo-Peters-Weg 8, geboren am 10.12.1872 in Bürstadt in Hessen, umgebracht am 23.9.1942 in Treblinka
Am 21. September 2013 ist ein Platz in Worpswede an der Hemberg-Strasse auf Initiative der „Stiftung Worpswede“ in Anwesenheit der Urenkelin Irene Goldsmith aus New York nach Rosa Abraham benannt worden. Auf einer dort errichteten Stele ist zu lesen:
„Rosa Abraham, geb. am 10.12.1872, war eine Worpsweder Bürgerin und lebte viele Jahrzehnte am heutigen Udo-Peters-Weg.
Sie wurde 1942 als Jüdin vom nationalsozialistischen Staat nach Theresienstadt verschleppt und bald danach in Treblinka ermordet. Auch weitere Mitglieder der Familie Abraham wurden Opfer der Nazi-Verfolgung. Dieser Platz gilt – auch über die Familie Abraham hinaus – der mahnenden Erinnerung an die Verbrechen der nationalsozialistischen Herrschaft.“
Über Rosa Abraham und ihre Familie lässt sich Folgendes berichten:
Im Jahr 1855 lässt sich der jüdische Schlachter Michael Abraham, der spätere Schwiegervater von Rosa Abraham, in Worpswede nieder. Er stammte aus Niederurff in Hessen und hatte bei dem jüdischen Klempner und Schlachter Isaak Steckler, der 1824 in Worpswede im Haus Nr. 46 (heute Findorffstrasse 6) geboren worden war, gearbeitet und nach dessen Tod dessen Witwe geheiratet.
Michael Abraham, der im Haus Nr. 31a in der heutigen Hembergstrasse in Worpswede mit seiner zweiten Frau und zehn Kindern gelebt hat, war ein angesehener und im Dorf gut integrierter Mann. Einige der Kinder Abrahams wandern in die USA aus. Seine Tochter Merri (geboren 1863) zieht nach ihrer Heirat zu ihrem Mann, dem Viehhändler Harry Leeser, nach Bremervörde, die Tochter Johanne (geboren 1870) heiratet den Viehhändler Josef Sander in Kaldenkirchen, die Tochter Sophie (geboren 1879) wohnt nach ihrer Eheschließung mit ihrem Mann, dem Gastwirt August Schwabe, in Vegesack.
Michaels Sohn Hermann (geboren 1860) bleibt in Worpswede und übernimmt 1885 nach dem Tod des Vaters das Haus und die Schlachterei. Im Jahr 1891 heiratet er Rosa Lösermann aus Bürstadt in Hessen. 1908 zieht das Paar mit den Kindern Henny und Hugo in das Haus Nr.37 im heutigen Udo-Peters-Weg 8, in dessen Nebengebäude Hermann seine Schlachterei und den Laden einrichtet. 1923 stirbt Hermann Abraham mit 63 Jahren. Der Sohn Hugo lebt nach seiner Heirat in Delmenhorst, von wo seine Frau Alma Rieke stammt.
Henny bleibt mit ihrem Mann Julius Goldschmidt zunächst im Worpsweder Elternhaus, in dem das Paar ein Textilgeschäft betreibt. 1930 ziehen die Goldschmidts mit ihrem Sohn Siegfried nach Bremen um. Seit diesem Jahr lebt Rosa Abraham ohne Familienangehörige in der oberen Wohnung des Hauses im heutigen Udo-Peters-Weg, hat alle anderen Zimmer des geräumigen Hauses vermietet, und die Ländereien, die sie zum größten Teil ihrem Sohn übertragen hat, sind verpachtet. Ihre Tochter Henny und der Enkel Siegfried wandern 1934 und 1935 unter dem Druck der Judenverfolgung im nationalsozialistischen Staat, der zu einem Boykott ihres Geschäftes in Bremen geführt hat, in die USA aus. Der Schwiegersohn Julius Goldschmidt geht 1935 nach Südafrika ins Exil. 1938 verlässt auch der Sohn Hugo mit seiner Familie Deutschland in Richtung USA.
Im selben Jahr beginnt die systematische Ausgrenzung und Ausplünderung von Rosa Abraham. Sie muss ihren Schmuck und andere Wertgegenstände zu einer Pfandleihe bringen und den größten Teil ihrer Einrichtung zu Schleuderpreisen verkaufen. 1939 muss sie ihr Haus zum halben Preis seines Wertes an einen Schornsteinfegermeister in Lilienthal weggeben. Das Geld geht auf ein Sperrkonto, zu dem sie keinen Zugang hat. Das Land ihres Sohnes Hugo wird zum größten Teil enteignet. Die jahrelangen Versuche Rosa Abrahams, zu ihren Kindern in die USA auszuwandern, scheitern.[1]
Am 18. März 1942 muss Rosa Abraham ihr Haus, in dem sie noch ein Wohnrecht hatte, verlassen und in ein „Judenhaus“ Am Gröpelinger Deich 50 in Bremen-Walle ziehen. Dort wohnt nun auch ihre verwitwete Schwägerin Sophie Schwabe aus Vegesack. Die Schwägerin aus Bremervörde, Merri Leeser, lebt nach dem Tod ihres Mannes seit 1936 im jüdischen Altersheim in Bremen- Gröpelingen. Alle drei werden am 23. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, ebenso Johanne Sanders, die von Düsseldorf aus nach Theresienstadt kommt. Merri Leeser stirbt dort am 6.9.1942, Sophie Schwabe am 14.3.1943 . Johanne Sanders und Rosa Abraham werden im September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt und dort am 21. bzw. 23. 9. umgebracht.
Nach langwierigen Verhandlungen zur „Wiedergutmachung“ hat Rosa Abrahams Sohn Hugo 1952 eine Entschädigung für die Entziehung seines Landbesitzes erhalten, einen kleinen Teil seines früheren Landes hat er zurückbekommen – den heutigen Rosa-Abraham-Platz.[2] Die „Stiftung Worpswede“ hatte Hugo Abraham in den 1950er Jahren das Land abgekauft und 2013 die Benennung des Platzes zur Erinnerung an Rosa Abraham in die Wege geleitet.
Seit 1991 gibt es in der Zionskirche eine Gedenktafel für Rosa Abraham, Merri Leeser und Sophie Schwabe. (Johanne Sanders wird dort nicht erwähnt.) Das haben Siegfried Goldschmidt, der Enkel von Rosa Abraham, und der Worpsweder Tischler Hans-Georg Müller (ein Enkel Heinrich Vogelers) veranlasst. Siegfried Goldschmidt hat Worpswede seit 1978 häufiger wieder besucht.
Verfasserin: Anning Lehmensiek (2018)
Anm.:
(1) Staatsarchiv Bremen, STAB 4.54-E4471
(2) Sta Stade, Rep.171 Verden Nr.49, ebd: Rep.171 Verden Nr.216, ebd.: Rep.171 Verden Nr.215
weiterführende Literatur:
Anning Lehmensiek, Juden in Worpswede, Bremen 2014
Veröffentlicht am 6. Dezember 2018
Diese Seite wurde zuletzt am 19. Januar 2019 geändert
Unbedingt soll auf diesen Platz hingewiesen werden, und für Schulkinder ein Pflichtbesuch werden.